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Urlaub in Deutschland – Mit der Deutschen Bahn (Teil 1)

German Rail Pass

Nach mehreren Jahren in Japan soll es in den Urlaub ins Ausland gehen. Reiseziel: Deutschland.
Wie erlebt man es, wenn man als in Japan lebender Bahnpendler und Ex-Bahner nach drei Jahren völliger Abstinenz Deutschland besucht und alle Reisen in Deutschland mit der Bahn plant? ICE statt Shinkansen – kann das gut gehen? Probieren wir es aus!

Die Vorbereitung

Nach Deutschland sollte es gehen. Nachdem der verbliebene Jahresurlaub – immerhin stolze 8 Tage – klar gemacht wurde, brauchten wir noch einen Beförderer: Am liebsten natürlich direkt mit Schiff und Bahn, aber dann wäre der Urlaub ja schon wieder vorbei, bevor wir da wären. Also bleibt nur das Flugzeug. KLM (nonstop bis Amsterdam!) oder Finnair wären sicherlich zeitlich und preislich günstiger gekommen, aber ich wollte mit JAL fliegen, weil ich dort den Überseetrip im Dreamliner auch in der Economy mit genügend Beinfreiheit und einer 2-4-2 Bestuhlung genießen kann und der erste Urlaubstag nicht gleich für ein Krankenhaussightseeing inklusive Beinamputation flöten geht. Dafür nimmt man dann auch den Umweg über Tokyo in Kauf. In Deutschland sollte es dann per Bahn weiter gehen.

Weil ich lieber wie mit einem Auto spontan unterwegs sein wollte, fiel die Planung gleich auf den German Rail Pass. Der kostete für 7 Tage am Stück und zwei Personen in der 1. Klasse 545 Euro, was ich als relativ günstig empfinde. Bei den Verbindungssuchen am Tag vor der Abfahrt wurden meist Beträge um die 200 Euro für eine einzelne Fahrt verlangt. Vielleicht wäre man mit Sparpreisen noch etwas günstiger gekommen, zumal ja die Reiseroute und ungefähren Züge schon weit im Voraus festgelegt waren, aber das Gefühl absolute Flexibilität zu haben, ist ein Killerargument.

Also die viel zu schweren Koffer gepackt und ab die Post! Dass schon kurze Zeit später internationale Reisen auf lange Zeit fast unmöglich werden sollten hat zu dieser Zeit noch niemand ahnen können.

Tag 1: Abflug nach Frankfurt

Aufstehen um halb fünf. Nichts für mich. Aber hilft ja nichts. Die letzten Sachen gepackt ging es – aufgetankt mit einem koffeinhaltigen Heißgetränk – um kurz nach fünf Richtung Bahnhof. Da es Sonntag war, ließ sich im Zug sogar ein Sitzplatz finden. Gute zehn Minuten und 10,2km später war der erste Knotenbahnhof in der Stadt erreicht und es wurde auf die Gummibahn umgestiegen. Der Zubringerbus sollte uns zum Flughafen Itami, einen der beiden großen Verkehrsflughäfen in Osaka, bringen. 

Pünktlich am Flughafen angekommen, wurde erst einmal alles Organisatorische erledigt, Koffein nachgetankt und etwas gefrühstückt. Um 8 Uhr ging dann unser erster Flieger (JL 3004), der uns in 75 Minuten nach Narita bringen sollte. Der Flug war kurz und entspannt, wie die meisten Inlandsflüge bei JAL mit modernem Gerät. Ums Gepäck musste man sich ja keinen Kopf machen, zwischendrin gab es dann ein Getränk und in der kurzen Zeit zwischen Start und Landung noch kostenfreies WLAN.  In der monatlich erscheinenden Kundenzeitschrift im Flugzeug wurde zudem noch ein Restaurant empfohlen, dass direkt bei mir um die Ecke liegt. So klein kann die Welt sein. 

Kurz darauf waren wir auch schon in Narita, wo die verbliebene Zeit mit etwas Shopping und einem Besuch einer bekannten Kaffeekette aus Seattle vertrieben wurde, bevor vor uns JA862J, eine B789 als Flug JL 407 nach Frankfurt bringen sollte. Wie eingangs schon geschrieben bevorzuge ich Japan Airlines auf internationalen Strecken, da man hier auch in der Economy ohne Platzangst vernünftig sitzen kann, was bei den europäischen Carriern, die ich bislang auf der Strecke genutzt habe, bislang leider nicht der Fall war.  Zudem ist die Boeing 789 auch von der Ausstattung her ein echter Hingucker im Vergleich zu den früheren 777-Flügen und die 2-4-2 Bestuhlung wesentlich angenehmer als die 3-3-3 Konfiguration, die bei vielen Airlines leider überhand genommen hat.  

Irgendwann war dann Japan mal zu Ende, es folgte ein bisschen Meer, ganz ganz viel Russland und dann war man ja eigentlich schon fast in Frankfurt. Aber erstmal zu den wichtigen Dingen im Leben: FUTTER!!
Für Eco-Verhältnisse gibt es bei Japan Airlines recht gute Verpflegung. Einen an recyceltem Weltraumessen erinnernden Totalausfall habe ich bei JAL noch nie erlebt. Oft gibt es auch Kooperationen mit bestimmten Restaurants oder Fast-Food-Ketten. Im Winter 2019 gab es eine Kooperation mit einem Wettbewerbsprojekt für Nachwuchsprofiköche unter 35 Jahren. Nicht schlecht gemacht!

Als Hauptgericht konnte man zwischen Gyudon („Sukiyaki-style Sauteed Beef and Tofu with Rice“) oder Curry („Yellow Chicken Curry, Asian Style“) wählen. Als Beilage gab es Thunfisch-Käse-Salat mit Okara, zerkleinerte Klettenwurzel mit Apfel, und gedämpftes Hühnchen, Mimosa Style. Dazu Miso-Suppe, Salat und zum Nachtisch eine limitierte Sorte Häagen-Dazs mit Pudding-Geschmack. Als Getränk durchaus genießbaren Rotwein mit tollem Design.

Die restliche Flugzeit wurde dann mit Filmen (u.a. dem Remake von IT) und ein bisschen schlafen vertrieben, dann gab es auch schon Abendessen oder Frühstück (wie man es sieht) und schon waren wir so gut wie in Frankfurt, wo wir mit etwas Verspätung gelandet sind, da auch aufgrund der langen Warteschlange auf dem Runway in Narita der Abflug verspätet war.


Gegen 16 Uhr deutscher Zeit konnte ich dann das Gepäck einsammeln und ein offenes WLAN suchen, um die weitere Fahrt zu planen. Da waren wir schon 20 Stunden unterwegs. Ich hatte mir zwei Verbindungen vorher ausgesucht, von denen die erste aufgrund der Verspätung etwas zu knapp war. Also dann die zweite Verbindung: Von Frankfurt nach Köln, dann weiter nach Rheine und von dort hoch Richtung Nordsee. Alles kein Problem, oder?

Aber was war das? Auf der Bahn-App nachgeguckt stand dort, dass der Zug nach Köln Verspätung hat, mit dem Hinweis „Anschluss wartet nicht“. Der Anschlusszug war dann weiter unten mit dem lapidaren Hinweis „Fahrt fällt aus“ versehen. Okay, der Anschluss wartet nicht, aber der Zug fährt auch nicht? Höh? Vor allem warum? Dass Züge ausfallen, habe ich bei Unfällen und Extremsituationen wie Erdbeben, Taifunen, Starkregen, etc. schon oft erlebt, aber das Wetter vom Flugzeug aus gesehen war ja gut. Vielleicht irgendetwas anderes?  Also mal einen Blick auf Nachrichtenseiten geworfen, aber nichts. Keine Meldung, die irgendeinen Hinweis darauf gibt, warum ein ganzer Zug plötzlich nicht fahren sollte. Aber gut, wir mussten ja sowieso noch zum Bahnschalter um die Fahrkarte abzuholen. 

Um 16:36 Uhr haben wir dann unseren Railpass bekommen. Yay, sieben Tage unbegrenztes Fahren in ganz Deutschland! Für die Weiterfahrt gab es zwei Möglichkeiten:
* Die „langsame“ mit dem ICE nach Mainz, dort der Umstieg in den Schweizer EC6 bis Münster und weiter mit der Westfalenbahn.
* Die „schnelle“ mit dem ICE bis nach Köln und von dort mit einem anderen Fernzug nach Rheine und dort in die Westfalenbahn.

Da der Kollege am Schalter sagte, der ICE wäre ausgebucht und es können keine Sitze mehr reserviert werden, habe ich mich für die Verbindung mit dem EC 6 entschieden. Ich war jahrelang nicht in Deutschland und zudem war Frankfurt-Köln auch nicht mein Metier, so dass ich die Auslastung nicht einschätzen konnte, aber auch keine Lust hatte im Fall der Fälle nach 20 Stunden Anfahrt mit schwerem Gepäck irgendwo im Gang zu stehen.

Aber wird schon irgendwie. Auf zum Bahnsteig! Die Abfahrtzeit des ICE nach Mainz näherte sich, kam… und ahh… verstrich. Durchsagen wie in Japan „der Zug verspätet sich aufgrund von X um 2 Minuten, wir bitten vielmals um Verzeihung“ waren Fehlanzeige. Mit etwa fünf Minuten Verspätung fuhr der Zug ein. Der ICE3 – eines der Paradepferde und Aushängestücke der Deutschen Bahn. Zunächst der erste Zugteil, den auf einer drecksgrauer Lackierung zunächst ein grüner (eine Renaissance der Reichsbahn?) Streifen zierte, der dann zu einem roten Streifen wurde, der dann zu einem mit einer Sprühdose dilettantisch aufgetragenem Streifen in Wellenform wurde. Ist das Kunst, oder kann das weg?

Dann mal rein in die gute Stube, der Lounge-Bereich in der 1. Klasse war komplett leer. Zur Orientierung hat die Bahn an den Türen LCD-Monitore angebracht, auf denen die Wagennummer stand. Auf Papier. Mit Kugelschreiber. Und Tesa. Wow! Hat ein bisschen was von der Geschichte mit den Amerikanern, die für Millionen einen weltraumfähigen Kugelschreiber entwickeln, während die Russen einfach einen Bleistift nehmen. Genial einfach und funktioniert. Aber keine Ahnung, ob es nur eine „Urban Legend“ ist.

Mit ein paar Minuten extra auf der Uhr wurde dann Mainz erreicht, aber auch der nächste Zug war nicht pünktlich, sondern mit drei Minuten Verspätung (in der Bahn-App ganz optimistisch in grüner Farbe hinterlegt) angekündigt. Der EC 6 fuhr ein und die Horrorfahrt konnte los gehen. Wo fängt man da zu erzählen an? Positiv war, dass wir im zweiten oder dritten Wagen der 1. Klasse direkt eine freie Sitzgruppe im Zug finden konnten. Auch nachdem sich der Zug in Bewegung setzte, gab es eine nie Enden wollende Völkerwanderung. Eine Gruppe grölender Männer im Trikot einer Bundesligafußballmannschaft lief durch den Wagen, ließ eine volle Dose Bier fallen und: lief weiter. Das empörte sogar die ansonsten sehr leidensfähigen Mitlebensgenossen im Wagen, aber gemacht hat niemand etwas. Statt der gewohnten ruhigen Atmosphäre, die man in Japan in der 1. (und auch in der 2.) Klasse hat, gab auf dem Nebensitzen eine feucht-fröhliche kölsche Damengesellschaft ihr Stelldichein. Aber lustig waren sie ja.

Aus den nie endenden Flüchen ließ sich auch langsam der Grund der Völkerwanderung ausfindig machen: Der ganze Zug bestand aus elf Wagen, die wohl recht gut besetzt waren, und verfügte anscheinend *tada* über 1 (in Worten: ein) funktionierendes WC. Wow, ich bin beeindruckt! Ein WC für 11 Wagen? Was werfen die Schweizer da auf die Schienen? Das sind dann wohl diese komischen Bio-Toiletten, über die das deutsche Fernverkehr-Personal auf der Rollbahn immer geschimpft hat? Beim Besuch des WCs machte es dann optisch auch den Eindruck, den man von einem einzigen WC für 1000 Leute hat und Seife war auch keine da.

Und sonst so? Die Wagen aus der Schweiz bieten ausschliesslich vis-a-vis Viererplatzgruppen, die von der Bequemlichkeit etwa der 2. Wagenklasse im japanischen Fernverkehr entsprechen, jedoch mit mehr Sitzbreite und etwas mehr Beinfreiheit. Schrecklich war, dass sich der Sitz nicht fest verstellen ließ, sondern ständig „mitgerutscht“ ist, wenn man sich nach hinten gelehnt hat. Für Schweizer, die in den Kisten eine Stunde irgendwo zwischen Basel, Bern und Zürich pendeln, geht das ja vollkommen in Ordnung, aber doch nicht für eine Tour über fünf Stunden. Interessant war nur die Werbung an den Wänden: Frankfurt zum Eco-Preis: 8,36kg CO2. Die haben ja ordentlich zu schleppen, die Schweizer. Ich hoffe nur, dass man in der Schweiz auch bargeldlos zahlen kann. 😉

Der größte Vorteil der Rheinstrecke, eine schönsten Bahnstrecken Deutschlands zu bestaunen, fiel natürlich aufgrund der kurzen Tageslänge im Dezember flach und ich vertrieb mir die Zeit mit Mario Kart. Hinter Köln wurde es im Zug merklich ruhiger und der Stress allmählich größer: In Köln hatte man auf einen anderen Zug gewartet und es wurden einige Minuten Verspätung eingesammelt, die sich danach noch vergrößert haben. Informationen gab es zunächst keine, die DB App zeigte nur „Aktuell keine zuverlässige Information zum Anschluss“ und sowieso, die automatische Bandansage begrüßte alle Fahrgäste auf der Reise nach Hamburg, obwohl der Zug in Münster enden sollte. Hinter Gelsenkirchen wurde aber schon etwas der Verspätung wieder eingeholt, so dass der Anschluss eigentlich funktionieren sollte. 

In Münster angekommen schnell den Bahnsteig gewechselt und auf den Zug der Westfalenbahn gewartet, der ebenfalls mit mehreren Minuten Verspätung eintraf, um wieder zurück gen Norden zu fahren. Zu der Fahrt kann ich eigentlich gar nicht viel schreiben. Die 2. Klasse war sehr gut gefüllt, die 1. Klasse fast leer. Der Triebwagen, eingesetzt wurde ein Stadler Flirt, war relativ neu gut gepflegt und gereinigt, wie man es auch von japanischen Triebwagen erwarten kann. Das Personal war sehr freundlich und der Sitzkomfort so lala.

Größter Kritikpunkt wäre nur der Designer, der seltsamerweise auf die Idee gekommen ist, einen Mülleimer genau dort zu platzieren, wo die Knie der Reisenden sind. Überhaupt, über den Sinn von Mülleimern direkt am Sitzplatz sollte man auch einmal diskutieren. Klar sind sie bequem, aber wirklich nötig? Ich finde sie einfach nur enorm unhygienisch, zumal auch nicht einmal Müllbeutel verwendet werden. Aber gut, der Kunde scheint es so zu mögen.

Nach gut 26-27 Stunden Fahrt sind wir dann auch am Ziel angekommen und nichts war größer als die Freude aufs Bett. Vorher mussten aber noch zwei Dinge erledigt werden: Nach Jahren in der Großstadt gab es zum ersten Mal wieder die Gelegenheit, einen richtigen Nachthimmel zu bewundern. Und außerdem wartete da noch das Begrüßungskomittee.


Weiter geht es dann in Kürze mit Teil 2.

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