Action-Rollenspiele, in denen man als Spieler Pistole und Schwert schwingen kann um damit fiese Gegner zu perforieren oder in handliche Stücke zu zerteilen, gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Nicht zuletzt natürlich auch dadurch, dass auch bei traditionellen RPGs immer mehr auf actionbasierte Kampfsteuerungen gesetzt wird. Mit NieR Automata von Platinum Games gibt es seit dem 23. Februar (Europa: 10. März) auf der Playstation 4 einen weiteren Vertreter in diesem Feld. Lohnt es sich also einen Blick auf NieR Automata zu werfen?
Review: NieR Automata
To B(e) or not to B(e)
Die Geschichte von NieR Automata spielt in einer postapokalyptischen Welt im fernen Jahre 11941. Die Menschheit befindet sich seit Jahren im Krieg mit ausserirdischen Maschinen, die es geschafft haben, die Erde einzunehmen und die Menschen auf den Mond zu vertreiben. Mit dieser Situation nicht so ganz einverstanden, erschaffen die Menschen eine Armee von Androiden mit dem Namen YoRHa. Mit dessen Hilfe soll die Erde wieder in menschliche Hand gebracht werden. Mit dabei ist eine gut aussehende Androidendame mit dem einprägsamen Namen YoRHa Modell Nr. 2 Typ B – oder kurz: 2B -, die zum Kampf gegen die kikai seimeitai (Maschinen-Lebensformen) auf die Erde geschickt wird. Unterstützt von einer Widerstandsgruppe auf Erde zieht sie zusammen mit dem ihr zur Seite gestellten Androiden 9S in die Schlacht gegen die Maschinen.
Öffne die Welt
Der Spieler befindet sich dabei große Teile des Spiels über in einer als offenen Welt beworbenen Umgebung, bei der sehr viel Wert auf die Atmosphäre gelegt wurde, die nicht zuletzt auch durch den grandiosen Soundtrack unterstützt wird. Man hat einfach Spaß daran die Umgebung zu erkunden, auch wenn der fliessende Übergang von Innenstadt-Umgebungen zur Wüste und direkt danach zu Waldgebieten etwas unrealistisch erscheint. Getrübt wird die Atmosphäre leider nur dadurch, dass es sich entgegen der Werbung nicht um eine wirklich offene Welt handelt. Zugegeben, eine wirklich offene Welt wie z.B. in Skyrim ist zum einen wahnsinnig komplex und zum anderen auch untypisch für japanische Genrevertreter. Auch die viel gerühmte GTA-Reihe ist nicht zu 100% offen, schliesslich kann der Spieler nur die wenigsten Häuser betreten. Aber in NieR Automata hat man einfach zu oft das Gefühl gegen unsichtbare Glaswände zu laufen und auch die Kamerasteuerung ist in vielen Gebieten eingeschränkt, so dass man an einigen Stellen Probleme hat, die Gegner vernünftig sehen zu können. Um den Gegnern ordentlich einheizen zu können, kann man sich aus einem Arsenal an Kurz- und Langschwertern, Speeren und Faustwaffen bedienen. Dazu wird jeder Androide noch von einem kleinen Begleiter, dem Pod, unterstützt. Neben einer brauchbaren Laserkanone verfügt der Pod noch über eine Spezialfähigkeit, die vom Spieler festgelegt werden kann. Dazwischen gibt es einige Flugsequenzen, die sich wie ein traditioneller Arcade-Shooter spielen.
NieR Automata hat ein interessantes Konzept, um den Charakter aufzurüsten: In Geschäften und als Gegnerdrops bekommt man Computerchips mit bestimmten Fähigkeiten (mehr HP, besserer Angriff, etc.), die man installieren kann. Im Spielverlauf kann man sich mehr Speicherplatz hinzukaufen und die Chips verbessern. Mithilfe weiterer Gegenstände, die man im Spiel findet oder die von Gegnern fallen gelassen werden, lassen sich auch die Waffen weiter verbessern. Von der Atmosphäre und vom Spielgefühl her spielt sich NieR Automata wie eine Mischung aus ICO und Devil May Cry mit einem Schuss an Old-School-Shootern.
Gerade in den Zwischensequenzen kommt auch das gelungene Charakterdesign zu Tage. Die eigentliche Spielgrafik ist flüssig und geht ebenfalls völlig in Ordnung, allerdings merkt man hier unter anderem am Kantenflimmern auch die Grenzen der Leistungsfähigkeit der PS4. NieR Automata ist jedoch „PS4 Pro Enhanced“ und dürfte dort vermutlich dann noch ein Stückchen besser aussehen.
Leider verfügt NieR Automata nicht über einen Mehrspielermodus. Onlinefunktionen sind im Spiel optional vorhanden. Wenn sie aktiviert werden, sieht man hin und wieder tote Spieler aus anderen Spielsitzungen herumliegen. Man kann für diese toten Spieler beten und sie entweder wiederbeleben, damit sie für ein paar Minuten als AI an des Spielers Seite kämpfen, oder sie bergen, um Gegenstände und für kurze Zeit ein paar Extrafähigkeiten zu bekommen. Etwas ungeschicktes Verhalten vorausgesetzt kann der Spieler gleichfalls als Leiche seinen Einstand im Spiel anderer Spieler machen. Im Menü gibt es zudem eine Option aus vorgefertigten Textbausteinen eine Todesnachricht zu erstellen, die dann von anderen Spielern gelesen werden kann.
NieR Automata – Super oder für den Popo?
Die Grundstory „Menschen vs. Aliens“ und „Kampf gegen Maschinen“ hat jeder ambitionierte Spieler wohl mehr als einmal gehört und gespielt. So gut, so unkreativ – könnte man meinen. Produzent Yoko Taro hat es aber geschafft um dieses Grundgerüst herum eine spannende Thematik über Maschinen und Emotionen aufzubauen. Während einige Maschinen tödliche Feinde sind, stoßen die Protagonisten schon bald auf Maschinen, die gar keinen Krieg führen wollen. Im Laufe des Spiels trifft man auf Maschinen, die von Liebe und Hass bis zu Furcht und Angst sämtliche Arten von Emotionen zeigen. Dazu gesellen sich die vom Spieler gesteuerten Androiden, die so gesehen menschlicher sind als viele Menschen. 2B ist cool und konzentriert, 9S‘ Abneigung gegenüber Maschinen und seine Zuneigung gegenüber 2B lassen sich schwer übersehen und die Operatorin 6O scheint sich auch gerade in einer gewissen unstabilen Lebensphase zu bewegen. Aber was davon ist programmiert und was ist echt? Um die Geschichte zu erzählen, bedient sich Yoko Taro mehrerer Spieldurchläufe, die alle jeweils ein anderes Bild auf die Situation werfen. Letztendlich gibt es je nach Spielausgang unterschiedliche Enden von A bis Z. Und von A bis Z versteht Taro auch von A bis Z. Neben einer Hand voll „richtiger“ Enden gibt es insgesamt 26 verschiedene Möglichkeiten das Spiel zu beenden, viele davon durch recht lustige „was passiert eigentlich, wenn ich jetzt mal…“-Momente.
Yoko Taro sorgte durch seinen besonderen Stil und einiger „unorthodoxer Features“ bereits mit seinen vorherigen Werken oft genug Spieler in aller Welt mit Diskussionsstoff versorgte. Als Beispiel sei der Vorgängertitel NieR genannt, dessen Spielstände sich nach dem vollständigen Abschluss der Story automatisch gelöscht haben. In NieR Automata ist er nun einen neuen Weg gegangen und dem Spieler werden nach Abschluss aller drei Spieldurchläufe sämtliche Trophäen für die (Sammel-)Herausforderungen gegen Spielgeld zum Kauf angeboten. Das wird sicherlich beim ein oder anderen Spieler noch für böses Blut sorgen.
Aber ist NieR Automata deswegen für den A…? Die Frage muss wohl jeder Spieler selbst beantworten, aber für den Popo ist das Spiel trotzdem: In bester japanischer Fanservice-Manier gibt es neben den oben bereits vorgestellten Attacken noch einen ganz dramatischen Selbstzerstörungsmodus, von dem man auch rege Gebrauch machen muss, wenn man sich die Trophäen nicht erkaufen möchte. Da die Androiden aber stabil gebaut sind wird bei der Selbstzerstörung lediglich die Beinbekleidung in Mitleidenschaft gezogen, deren Nichtvorhandensein dem Spieler einen guten Einblick in gewisse Rundungen zu Gute bringt.
Fazit
Kurz und knapp: Wer Action-Spielen im Stil von Devil May Cry und einem tiefgründigen Endzeit-Gothic-Lolita-Sci-Fi-Setting nicht abgelehnt gegenübersteht sollte die 7000 Yen bzw. 60 Euro in dieses Spiel investieren. Die Spielzeit richtet sich sehr danach, in welchem Tempo man das Spiel spielt und ob man versucht alle Trophäen zu ergattern. Geschätzt sollte man zwischen 15 und 50 Stunden investieren. Der Schwierigkeitsgrad ist vom Spieler einstellbar, Trophäen können auf jedem Schwierigkeitsgrad geholt werden. Etwas überraschend hingegen ist die Tatsache, dass NieR Automata über kein automatisches Speichersystem verfügt. Nach der Spiellogik wird beim Speichern der Bewusstseinszustand der Androiden per Satellitenverbindung zum Hauptquartier hochgeladen und kann auch auf einen neuen Körper übertragen werden. Praktisch bedeutet das für den Spieler, dass er sich zum Speichern im Umkreis einer Übertragungsstation (die entweder aussehen wie verrosteter Verkaufsautomaten oder wie High-Tech-Kühlschränke) befinden muss, die allerdings reichlich vorhanden sind. Es stehen drei Speicherstände zur Verfügung.
Abgesehen von ein paar Schnitzern wie der sehr eingeschränkten offenen Welt und der teilweise ungünstigen Kameraführung in einigen Kampfsequenzen kann NieR Automata überzeugen. In der Packung der japanischen Day-One-Edition sind Codes für limitierte Pod-Skins enthalten. Als Beilage gibt es außerdem ein kleines Heftchen, dass einer Zeitung vom 12. März 11941 nachempfunden ist und neben Zeitungsartikeln aus dem NieR-Universum noch Werbung für weitere Manga und Spiele, wie z.B. Yoko Taros neuem Projekt SINoALICE enthält. Auf der Festplatte genehmigt sich NieR Automata mit knapp 50 GByte reichlich Speicherplatz. Dazu kam ein etwa zwei GByte großer Day-One-Patch sowie diverse weitere Aktualisierungen. Besondere Bugs sind beim Testen nicht vorgekommen, allerdings gab es einen Spielabsturz.
Der Spieler kann zwischen japanischer und englischer Sprachausgabe wählen. Für die Texte im Spiel kann man zwischen Japanisch, Englisch und weiteren europäischen Sprachen wählen, darunter auch Deutsch. Die englische Übersetzung des Spiels ist gut gemacht, während mich die deutsche Übersetzung nicht überzeugt hat. Anstelle einer richtigen Übersetzung haben die Macher hier Geld gespart und einfach nur eine Übersetzungsübersetzung aus der englischen Version heraus gemacht, was dazu führt, dass die deutschen Texte an einigen Stellen mehr an stille Post als an eine akkurate Übersetzung erinnern. Wenn ein kurzgehaltener, militärischer Sprachton plötzlich wie ein lockeres Schreiben vom besten Duz-Kumpanen klingt, ist das der Atmosphäre nicht wirklich zuträglich. Hier hätte man durchaus das Geld für eine ordentliche Übersetzung in die Hand nehmen sollen.
Versehen ist NieR Automata mit einer CERO D (17+) oder USK 16-Bewertung, die angesichts der teilweise blutigen Zwischensequenzen realistisch ist. Die PEGI steht dem Titel mit einer 18er Bewertung etwas strikter gegenüber.
Für NieR Automata gibts 8 von 10 Punkten: Empfehlenswert.