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15. Japan-Filmfest Hamburg: Resümee und Fotos

Das diesjährige Japan-Filmfest Hamburg fand vom 28. Mai bis zum 1. Juni statt.
Fünf Tage gefüllt mit japanischem Kino sind herrlich, obwohl es gerne auch die doppelte Zeit sein dürfte. Zumal es als Team-Mitglied immer irgendwo etwas zu tun gibt, und ich im Endeffekt auch nur die Hälfte der Filmen geschafft habe, die ich mir gerne angesehen hätte. Dafür war die Atmosphäre in diesem Jahr sehr schön, das Wetter war fast immer auf unserer Seite und die Gäste waren allesamt toll, dass ich sie liebend gerne im nächsten Jahr wieder auf dem Filmfest sehen würde.

Neben der Foto-Gallerie gibt es noch ein kleines Resümee der Filme, die ich gesehen habe, und natürlich der grandiosen Ausstellung von Screaming Mad George.

Die Filme auf dem Japan-Filmfest Hamburg

Ken & Mary – The Asian Truck Express war als Eröffnungsfilm gut gewählt. Ein lustiger Road-Movie über den Alt-68er Büroangestellten Ken, der nach Malaysia fliegt um zu verhindern, dass seine Tochter unter die Haube kommt. Nach einer Notlandung geht so ziemlich alles schief und er findet sich plötzlich mit dem chinesischen Trucker Mary zusammen auf dem Weg nach Kuala Lumpur wieder.
Einsteigen, zurücklehnen und genießen: Eine leichtgängige Geschichte, die trotz viel Komik und Slapstick nicht zu sehr ins Lächerliche geht, auch wenn die Crew ab und an die Logik an der Raststätte vergessen hat. Die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller ist spitze. Empfehlenswert.

Tokyo/Lovers von Kotaro Ikawa ist hingegen kein Film für eine typische Popcorn-Filmparty, aber nicht minder empfehlenswert, wenn man sich darauf einlässt. Eigentlich ist es schwer möglich, den Film in zwei Sätzen passend zu beschreiben. Ein Porträt eines Liebespaars in Tokyo. Der Film folgt jedoch keinem roten Faden, sondern zeigt lose Episoden hier und dort, zumeist in Sepia gehalten. Mittendrin treffen die Charaktere auf Anti-Atomkraft-Demos.
Der Film setzt sich so einerseits mit dem Fukushima-Problem auseinander, andererseits ist er irgendwo auch ein treffendes Portrait des Molochs Tokyo. Die Grenzen zwischen Film, Dokumentation und Realität verschmelzen hier zu einem Etwas, dass am Ende mehr Fragen als Antworten übrig lässt, jedoch genau richtig so ist. Die Kameraarbeit und die Beleuchtung gefallen.

Miroku von Kaizo Hayashi ist mit Abstand der Film, der mich am meisten beeindruckte. Titelfigur der Verfilmung des gleichnamigen Romans ist Emiru, der in jungen Jahren davon träumt, ein berühmter Schriftsteller zu werden und als gescheiterte Existenz endet.
Was simpel klingt, hat in der Tat einen sehr philosophischen Hintergrund. Der Film lässt jegliche Beschränkungen des Mainstream-Kinos links liegen und hat durch die vielen analogen Effekte und Details eine beeindruckend-zauberhafte Atmosphäre. Ein detaillierter Artikel zum Film wird in den nächsten Wochen folgen. Sehr empfehlenswert.

Bezüglich der Story von Gun Woman (Kurando Mitsutake) werde ich mich zunächst einmal vornehm zurückhalten, da ich aufgrund einer Erledigung leider nur das letzte Drittel im Kino mitbekommen habe.
Visuell wirkt Gun Woman sehr ansprechend und beinhaltet -soweit ich das aufgrund des kurzen Stückes, welches ich bislang sah – einige Inspirationen von Robert Rodriguez und Paul Verhoeven. In Deutschland ist der Film inzwischen auf DVD herausgekommen und vermutlich bis zum nächsten Filmabend der BPjM erhältlich. Auf meiner Watchlist ist er auf jeden Fall.

Bei Tokyo Shutter Girl war ich etwas überrascht, wie voll die Bude war. Der Film schien auf großes Interesse zu stossen. Es ist eine Geschichte über Fotografie und über das Erwachsenwerdens einer Schülerin, die am Fotoclub ihrer Schule teilnimmt.
Gedreht wurde er in drei Kapiteln von drei verschiedenen Regisseuren, die jeweils ihre Schwerpunkte etwas anders gelegt haben. Der Aufbau ist sehr künstlerisch und philosophisch, ja eigentlich wird sogar vierdimensional mit der Zeit gespielt. Die Locations sind sehr schön und mit viel Bedacht gewählt. Der Film ist auf seine Art und Weise interessant, war aber völlig anders als ich es erwartet hätte. Einfach nur zurücklehnen und gucken führt schnell zu einem Pufferüberlauf im Gehirn.

Judge von Yo Kohatsu greift ein bekanntes Muster auf: Sieben Personen werden entführt und erwachen ohne Erinnerung in einem dunklen Raum. Schnell ist klar, was Sache ist: Sie werden angeklagt, eine Todsünde begangen zu haben und sollen nun in einer „Gerichtsverhandlung“ ihr Urteil fällen, wer die schwerste Sünde beging. Der Verlierer wird hingerichtet, der letzte Gewinner kommt frei.
Der Film spielt nur in einem einzigen Raum. Die filmische Umsetzung ist durch viele Kameraperspektiven, Bild- und Toneffekte aber sehr dynamisch. Der Film lebt so natürlich fast ausschliesslich von den Dialogen, die zum Teil vorhersehbar sind. Das Ende zwar ist ein wenig unvorhersehbar, aber leider auch nicht in der Art, als dass dem Zuschauer eine riesige Überraschung erwartet. Man wandelt auf den Spuren von Cube und SAW ohne die Originale zu erreichen. Ein guter Durchschnitt ist aber drin.

Eine erfrischende Kurzgeschichte über eine Frau, die ausschliesslich in Bikinis herumläuft, erzählt Akiko Izumi mit Swimsuit Wife.
Offen bleibt nur die Frage, wie die arme Frau zwei Winter mit Bikinis überleben konnte in einer Gegend, in der es zwar nicht wirklich kalt wird, aber in der „Zentralheizung“ und „energieeffizientes Bauen“ Fremdwörter sind. Nichtsdestotrotz: Anschauen lohnt sich.

How to make the HERO von Masakazu Yamaguchi handelt von der Erstsemesterin Achiko, die promt vom freakigen Shinji für seinen erfolglosen „Wir machen einen Heldenfilm“-Zirkel eingespannt wird. Mit der Zeit geht es bergauf und der Film kann tatsächlich gedreht werden,  aber als durch einen unglücklichen Umstand am Set ein Junge ins Krankenhaus eingeliefert wird, steht alles auf der Kippe. Nun erfährt Achiko die von Mobbing und häuslicher Gewalt geprägte Vergangenheit Shinjis und seine wahren Gründe, warum er diesen Film unbedingt drehen will.
Die Geschichte beginnt action- und comedylastig, entwickelt sich später mehr in Richtung Drama, dem ein bisschen mehr Tiefe nicht geschadet hätte. Super ist die Besetzung des wortkargen Austauschstudenten Gori durch Yohei Natsumori. Leider stört dabei jedoch ein wenig das gekünstelt langsame Sprechen, um ihn als Ausländer rüberkommen zu lassen. Man sieht dem Film an, dass er zwar ohne großes Budget, aber dafür mit viel Herzblut entstand.

Bei Schoolgirl Complex geht es um -tadaa- Schulmädchen. Manami ist die Leiterin des Radio-Clubs an der Schule. Mit im Club ist ihre beste Freundin Ai. Jedoch verguckt sich Manami in ein anderes Mädel, Chiyuki, die später zufällig dem Radio Club beitritt und Manami damit vor eine schwierige Situation zwischen Ai, Chiyuki und ihrer Verantwortung als Clubchefin stellt.
Der Film ist sehenswert, lässt jedoch in der Mitte bis zum Ende hin ein wenig nach, so dass es ein wenig den Eindruck erweckt, dass der Film nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Entweder ein stärkerer homoerotischer Schwerpunkt oder eine tiefere Storyentwicklung hätten dem Film gut getan. Empfehlenswert ist der Film trotzdem.

Den SM-Punk-Krimi Shining Besides Funny Moon hatte ich eigentlich überhaupt nicht auf dem Radar, aber am Sonntag taten sich zwei freie Stunden auf – Also warum nicht?
Ermittlungen in einem bizarren Mordfall führen Muto in einen Sado-Maso-Club. Fasziniert von der Domina Mirei taucht er fortan auch als Kunde bei ihr auf. Als der Mordfall zu einer Serie von ungeklärten Vorfällen in der SM-Szene führt, hilft ihm Mirei bei den Ermittlungen.
Die Story hört sich interessant an, verläuft sich aber nach der Hälfte des Filmes in eine komplexe Belanglosigkeit, dass man eigentlich nur noch einen anderen Vorspann davor setzen müsste und den Film problemlos im Abendprogramm der ARD als „Tatort Tokyo“ laufen lassen könnte. Zwischendrin gibt es ein paar nette SM- und bizarre Punk-Szenen. Kann man sich anschauen, muss man aber nicht.

Die Ausstellung

Das Beste kommt natürlich zum Schluss und das ist dieses Jahr die Ausstellung des Effekt-Künstlers Screaming Mad George. Seine Werke dürften vielen schon mal vor die Augen gekommen sein, sei es durch Filme wie Poltergeist oder Nightmare on Elm Street oder durch Alben-Cover, Requisiten oder Masken von Musikern wie X-Japan, Marilyn Manson, Slipknot, Iron Maiden, Aerosmith und vielen mehr.
Damit ist eigentlich auch schon erklärt, woraus ein Teil der Ausstellung bestand. Der andere Teil der Ausstellung bestand aus seinen eigenen Kunstwerken, die mindestens genauso interessant wie seine Film- und Musikkreationen sind. Viele Werke beschäftigen sich mit optischer Täuschung und 3D-Effekten.
Es ist schade, dass die Ausstellung nur über zwei Tage hinweg gezeigt werden konnte. Die Qualität der Werke ist beeindruckend und gehört normalerweise in eine mehrmonatige Sonderausstellung ins Museum für Kunst und Gewerbe.

Das wirkliche Highlight war jedoch Screaming Mad George selbst. In den Jahren, in denen ich bei der Gästebetreuung beim Filmfest mitgeholfen habe, habe ich viele Gäste kennenlernen können, aber SMG kennenzulernen hat mich wirklich beeindruckt. Auch bei der Ausstellung war er immer zur Stelle und erklärte den Besuchern mit einer solchen Hingabe seine Werke, dass man wirklich fühlt, dass er seine Kunst nicht macht, sondern lebt. Ich hoffe, dass er noch einmal mit seinen Werken nach Deutschland kommen kann und die Möglichkeit hat, eine längere und größere Ausstellung an den Start zu bringen.

 

Weitere Fotos gibt es im JFFH-Blog so wie auf der Flickr-Seite des Japan-Filmfests.

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